Besuch bei der Heilsarmee: Die Stadt legt Steine in den Weg

Beim vergangenen Aktiventreffen haben wir die Heilsarmee Göttingen besucht und uns dort mit Esther Gulde getroffen. Sie leitet das Wohnheim für Frauen und Männer seit sieben Jahren und hat uns von der Geschichte, den Aufgaben und den Herausforderungen für die Heilsarmee in Göttingen berichtet.

Die Heilsarmee wurde 1860 in London als evangelische Freikirche gegründet, die erste Gemeinde in Deutschland entstand 1886 in Berlin. In Göttingen wurde 1901 eine Gemeinde gegründet, wobei die Sozialarbeit erst nach dem zweiten Weltkrieg begann. Seit 1972 befindet sich die Heilsarmee Göttingen in dem aktuellen Gebäude in der Unteren-Masch-Straße. Inzwischen ist die Heilsarmee in 130 Ländern vertreten. Sie ist dabei wie eine Armee aufgebaut, mit einem General, Majoren, Kapitänen etc. Menschen mit einem solchen Rang sind ausgebildete Pastoren. Es gibt ca. 40 Sozialeinrichtungen der Heilsarmee deutschlandweit: Vor allem Obdachlosenheime, aber auch Suchtzentren, zwei Altenheime und einen Kindergarten.

Im Göttinger Wohnheim gibt es aktuell 16 stationäre Plätze für Männer und Frauen (Einzelzimmer), sowie ein Fünf-Bett-Zimmer für Notübernachtungen. Frauen können seit 2013 aufgenommen werden, auch Kinder können mit einem Elternteil für kurze Zeit aufgenommen werden. Im Zuge der Flüchtlingskrise lebten acht minderjährige Flüchtlinge für neun Monate in der Einrichtung. Der Altersdurchschnitt der Bewohner liegt bei ca. 50 Jahren, wobei der jüngste Bewohner Mitte dreißig und der älteste 80 Jahre alt ist. Nahezu alle Bewohner der Einrichtung haben psychische Erkrankungen, einige eine Alkohol- oder Drogensucht. Die Menschen bleiben oft viele Jahre in dem Wohnheim, viele bis zu ihrem Tod. Sie würden bleiben, da sie hier eine gewisse Freiheit genießen und die Gemeinschaft dennoch etwas Familienähnliches habe, so Gulde. So ende die Arbeit auch meist nicht mit dem Auszug oder dem Tod der Bewohner – man würde oft auch die Beerdigung organisieren.

Das Wohnheim hat neun Mitarbeiter, viele von ihnen sind schwerbehindert, einige waren selbst einmal Bewohner des Heims. Dachverband ist die Diakonie Niedersachsen, oft arbeitet die Heilsarmee mit den anderen Kirchen in Göttingen zusammen.

Obwohl die Arbeit der Heilsarmee so wichtig für die Menschen ist, die durch alle Raster gefallen sind, legt die Stadt der Einrichtung immer wieder Steine in den Weg. Sechs Jahre lang gab es Streit, da die Stadt nur die Kosten für Erwerbsunfähige und Rentner übernommen hat. Aufgrund der geringen Anzahl Hilfsbedürftiger dieser Personengruppen war die Einrichtung unterbelegt und musste um ihre Existenz kämpfen. Nach einer Beschwerde beim Land Niedersachsen und dem Landessozialamt gibt seit dem 01.09. neue Verträge, die das Wohnheim mit der Diakonie gleichstellen.

Doch es gibt noch weiteren Ärger mit der Stadt: Der Zustand des Gebäudes ist problematisch, dringend benötigte Brandschutzmaßnahmen würde die Stadt nun wohl endlich durchführen lassen. Doch da das Haus voll ist und in dem Zimmer für Notübernachtungen momentan ein Mann übernachtet, können aktuell keine Frauen aufgenommen werden. In den letzten Wochen mussten daher 15 Frauen abgewiesen werden. Um auch mehr Frauen aufnehmen zu können, wäre ein Umbau nötig. Die Stadt – welche Eigentümerin des Gebäudes ist – erlaubt entsprechende Umbaumaßnahmen jedoch nicht. Dabei wird sich die Anzahl an Hilfsbedürftigen in Zukunft erhöhen: Es wird mehr Rentner geben, sowie Menschen aus anderen Ländern, insbesondere Flüchtlinge.

Und letztlich könnten Bewohner oft nicht ausziehen, wenn sie dies wollen, denn die Mieten in der Stadt seien schlicht zu hoch und mit ihrer Vorgeschichte würden die Menschen keine bezahlbaren Wohnungen finden.