Ein Gang durch Göttingens Unterwelten

Frau Dr. Gudrun Keindorf öffnet eine Tür eines Hauses mitten in der Innenstadt. Wir folgen ihr in nur ein paar der vielen Keller in Mehrfamilienhäusern und öffentlichen Gebäuden und mehrere Hundert Jahre Stadtgeschichte.

Da ist das jüdische Bad, das in einem Haus aus dem Jahr 1889 zur rituellen Waschung genutzt wurde. Die sechs Treppenstufen, die man abwärts geht, symbolisieren die Tage der Woche, von deren Sünden man sich mit jedem Schritt reinwaschen kann.

Da ist die Latrine: Sie diente einst als „Stilles Örtchen“ der Mönche, die auf dem Wilhelmsplatz im Franziskanerkloster wohnten. Sie lag etwas außerhalb; allerdings durfte der Weg nicht allzu weit sein, weil Franziskaner barfuß laufen, was im Winter zum Problem werden konnte — der Grund für den Namen der „Barfüßerstraße“, die auf den Platz führt.

Dann ist da ein Kellerraum im Stil des Gotischen Tonnengewölbes, über dem auch Studenten gewohnt haben — wohlhabende, wohlgemerkt. Hier lebte auch Georg Christoph Lichtenberg, ein Freund der Mathematik und des guten Weins. Er wohnte hier nicht nur, sondern forschte und zeigte das, was er tat, seinen jungen Mitbewohnern.

Zu guter Letzt: der Heizungskeller in den Katakomben des Alten Rathauses, in dem während der Wintermonate den Ratsherren eine mehr oder weniger angenehme Lufttemperatur beschert wurde, während sie über Stadtpolitik diskutierten. Mitte des 15. Jahrhunderts wurde er zum Gefängnis für solche, die genug Geld hatten, um bei Straftaten bloß eingesperrt zu werden und nicht exekutiert.

Heute sind sie Relikte der Vergangenheit. Doch die Einblicke in die Keller erlauben Einblicke in die Kultur und Entwicklung der Stadt, die ohne ihre Archäologie niemals möglich gewesen wären.