Besuch im AKW Würgassen

Am Donnerstag, den 30. Juni hielten wir unser Aktiventreffen nicht wie gewöhnlich in der Reinhäuser Landstraße 5 ab, sondern machten uns in das 54 km entfernte Würgassen auf.
Das Ziel war das dortige seit 1994 abgeschaltet und seit 1997 stillgelegte Atomkraftwerk.
Dort angekommen, wurde durch Ausweiskontrolle geprüft, ob denn auch die richtigen 12 angemeldeten Personen eingetroffen waren. Bei dieser kurzen Überprüfung fiel einigen Teilnehmern eine Anzeigetafel auf, auf der eine „64“ stand. Diese zeugte davon, dass es seit 64 keine Unfälle mehr im Werk gegeben hatte. Dies erschien uns mehr als merkwürdig, für ein seit 14 Jahren abgeschaltetes AKW, aber dazu später mehr.

Anschließend gab uns der dortige zuständige Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit umfassende Erklärungen über Planung, Geschichte, Bauweise, Technik und Funktionsweise des Reaktors. So war das Kernkraftwerk Würgassen, das erste ausschließlich kommerziell betriebene Kraftwerk Deutschlands. Ein Großteil seiner Beschreibungen bezog sich hierbei auf den Rückbau, der bereits seit 1997 im Gange ist. In drei Jahren soll dieser vollendet sein. Von der gesamten Rückbaumasse von 26.000 Tonnen wurden seit Anfang 1997 bis Juli 2008 rund zwei Drittel abgebaut. Abgeschlossen sind zum jetzigen Zeitpunkt unter anderem die Demontage des Reaktordruckgefäßes und des Flutkompensators, die Zerlegung der Brennelemente sowie der Abbau der Kondensationskammer des Sicherheitsbehälters und der Kühltürme. 99% aller radioaktiven Elemente befindet sich zudem nicht mehr im Reaktor. Bis 2013 werden noch einige Teile in Würgassen zwischengelagert. Danach soll der radioaktive Abfall im Schacht Konrad endgelagert werden. Derzeit sind fast 50 Unternehmen mit insgesamt 474 Mitarbeitern mit dem Rückbau beschäftigt, davon 128 Mitarbeiter der E.ON-Gruppe und Personal des Kernkraftwerkes. Wenn der Rückbau vollendet ist, werden diese Arbeiter Würgassen verlassen, was sicherlich auch Auswirkungen auf die Wirtschaft vor Ort haben wird. Für den Rückbau wurden bisher 700 Millionen Euro zurückgestellt.

Auf den theoretischen Teil folgte der praktische. Auf dem Weg ins Innere des ehemaligen Kraftwerkes erfuhren wir nun den Sinn der mysteriösen „64“. Hierbei handelte es sich natürlich nicht um Unfälle, mit nicht mehr vorhandenem radioaktivem Material, sondern um herkömmliche Arbeitsunfälle.

Daraufhin hieß es umziehen. Bis auf die Unterwäsche ausziehen und Schutzanzüge gegen mögliche Kontamination anziehen. In weiß-oranger Schutzkleidung und ausgestattet mit Strahlungsmessgeräten ging es rund um den ehemaligen Reaktorkern. Zu sehen gab es jede Menge Schutt und Abfälle aller Art. Stein, Beton und Kabel. Dass dies einmal ein Kraftwerk war, ließ sich nur erahnen. Der Rückbau, der weltweit einer der ersten seiner Art ist und daher auch für viele internationale Fachkräfte interessant ist, ist schon sehr weit fortgeschritten. Bei dem Rundgang wurde für uns alle ersichtlich, dass die hier zuständigen Techniker und Bauarbeiter einer höchst aufwendigen Arbeit nachgehen, die nur mit Präzision, Disziplin und Fachkenntnissen zu bewältigen ist. Quadratmeter um Quadratmeter wird nach radioaktiven Spuren gesucht und dann entschieden, wie diesen beizukommen ist. Teilweise muss nur der oberste Millimeter des jeweiligen Materials entfernt werden, teilweise jedoch auch mehrer Zentimeter.

Nebenbei warfen wohl die meisten hin und wieder mal einen Blick auf ihren Radioaktivitätsmesser, der aber bei allen konstant auf 0,0 blieb. Ein Höhepunkt waren dann die abschließenden Kontaminationstests in zwei aufeinanderfolgenden Schleusen. Hierbei wurden wir von einer charmanten Computerstimme angewiesen, wie wir zu stehen hatten und wo unsere Arme und der Kopf zu sein hatten. Wurde Schleuse 1 ohne Probleme von allen Teilnehmern problemlos gemeistert, war dies an Schleuse 2 nicht mehr ganz so einfach. Diese war nämlich deutlich sensibler programmiert, sodass oftmals Kontaminationstests aufgrund von falschem Stehen wieder abgebrochen wurden. Trotzdem schafften es alle mit 2 bis 3 Versuchen. Lediglich ein Teilnehmer kam hier deutlich in den zweistelligen Bereich, was für allgemeine Heiterkeit beim Rest und eine verzögerte Rückreise sorgte. Letztendlich konnten wir jedoch alle unbeschadet das ehemalige Kraftwerk verlassen. Wie alle anderen Gäste vor uns gelang das strahlenfrei.