Vortag des Chefvolkswirts von Goldman Sachs Deutschland.

Unter dem Titel „German Economic Outlook: What happend to the recovery“ gab Dirk Schumacher, Chefvolkswirtwirt bei Goldman Sachs, einen Ausblick auf die Konjunktur der nächsten Jahre in den USA, China und der EU, insbesondere in Deutschland.

Der Verschuldungsgrad der USA ist seit der Finanzkrise stark gesunken. Dies ist wichtig mit dem Hintergrund, dass der Verschuldungsgrad das Maß zur Konjunkturentwicklung eines Landes in der Zukunft ist.

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In China ist der Verschuldungsgrad dagegen stark gestiegen und wird hauptsächlich durch die Regierung und Unternehmen bestimmt. „Nach der Finanzkrise musste China die Nachfrage im Inland generieren, da ein großer Teil der Wirtschaft auf Exporte aufbaut und deren Nachfrage durch die Vereinigten Staaten stark gesunken ist“, erklärt Schumacher, der bei Bundesbankpräsident Axel Weber promovierte. Es wurden sogenannte Geisterstädte gebaut, die lediglich der Ankurbelung der eigenen Wirtschaft dienten. Für die Zukunft benötigt China ein neues Wirtschaftssystem das unter anderem keine Korruption zulässt und den staatlichen Einfluss auf die Unternehmen reduziert. Die Regierungspartei benötigt ein starkes Wachstum von sechs bis sieben Prozent, um ihre restriktive Politik den Bürgern gegenüber zu rechtfertigen. „Die Verbindung zwischen Partei und Volk erfolgt unter dem Motto ´Ihr lasst uns machen und euch geht es dafür gut´“, verdeutlicht Schumacher. Die Demografie stellt ein großes Hindernis für das chinesische Wirtschaftswachstum dar. Langfristig wird das chinesische Wachstum dem Wachstum eines normalen Landes entsprechen und ein Fünftel des globalen Wachstums ausmachen.

Die Wirtschaft in Deutschland wird weiter wachsen insbesondere durch Exporte, deren Nachfrage vom globalen Wachstum abhängt. „China ist wesentlicher Treiber für den deutschen Export“, bekräftigt Schumacher die Bedeutung des chinesischen Marktes. Im Gegensatz zu Deutschland verfügen die anderen EU-Länder über zu kleine Unternehmen um den Fokus auf den Export zu legen. Ab einer bestimmten Beschäftigungsgröße müssen diese Unternehmen sozialpolitische Maßnahmen anwenden, weshalb darauf geachtet wird, die Anzahl der Beschäftigten unterhalb dieser Größe zu belassen.

„Die Konjunktur in der Eurozone schwächelt, da die sehr lockere EZB-Politik nicht bei den Unternehmen ankommt“, erklärt der Chefvolkswirt. Zudem sind die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen in Spanien und Italien äußerst restriktiv. Sowohl die Meinungen der Unternehmen in Deutschland als auch der anderen EU-Länder gehen von einem geringen Wachstum aus. Nach der Auflösung der Deutschland-AG steuert der Bankensektor den Unternehmenssektor auf Grund geringer Eigenkreditansprüche nicht mehr. Dieser wird jetzt vom Finanzsektor gesteuert, der ein Interesse an Eigenrendite hat. Die Investitionen der Unternehmen sind hierdurch gesunken, da der Kapitalstock interessanter wurde. Somit haben die Renditeanforderungen an den Kapitalstock zugenommen.

Seit der Wiedervereinigung gab es viele Wohn- und Infrastrukturinvestitionen sowie im Bereich der Maschinen und Ausrüstung. In den letzten Jahren sind Immobilieninvestitionen gesunken, was sich im Anstieg der Immobilienpreise wiederspielt. „In Deutschland wären vierhunderttausend Wohnungen im Jahr notwendig, um die Nachfrage zu decken“, erklärt Schumacher.

Die Bruttolohnsumme ist die Determinante des verfügbaren Einkommens. Seit 2006 ist die Beschäftigung in Deutschland gestiegen, das real verfügbare Einkommen dagegen nur moderat, obwohl die Löhne an sich nominal gestiegen sind. Ein Grund hierfür ist die kalte Progression. Vom Ausland wird Deutschland oft Lohnzurückhaltung vorgeworfen.

Für Schumacher stellte der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands ein Problem dar, da das Land als Ganzes spart. „Derzeit bestehen 1,3 Billionen Euro Nettoforderungen an den Rest der Welt“, gibt Schumacher zu bedenken. Dies ist gefährlich, da hierdurch die Erpressbarkeit des Landes zunimmt.

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Schumacher nahm Italien als Beispielland, um zu diskutieren, ob die EU-Krise überstanden sei. In den letzten 20 Jahren gab es hier kein Produktivitätswachstum. Wäre Italien nicht in der EU, wäre es abgewertet worden. Um Wachstum zu erhalten und hiermit die Schulden abzubauen, sind strukturelle Reformen erforderlich. Unter anderem muss der Arbeitsmarkt flexibler und große Unternehmen zugelassen werden. Schumacher geht davon aus, dass ein Scheitern Renzis mit der Rückkehr der EU-Krise gleich zu setzen ist. Ein Anreiz für Italien kann Spanien sein, welches 2012 Arbeitsmarktreformen einleitete, die dazu führten, dass Spanien derzeit stärker wächst als Deutschland. „Zur Zeit ist die Krise noch nicht vollständig überwunden“, bemerkt Schumacher.